Historische Drachen - Roloplan der Firma Steiff
Roloplane wurden ursprünglich von der Firma Steiff (ja, genau die mit dem Knopf im Ohr) hergestellt. Die ersten kamen ca. 1909 auf den Markt. Dabei handelt es sich um Drachen mit mehr als einem Segel, die Kennzeichnung ist auch ganz bemerkenswert. Die Flugeigenschaft ist sehr gut, vorausgesetzt, der Drachen ist richtig abgespannt und die Waage korrekt eingestellt. Und eben an diesen beiden Punkten scheitern viele Versuche, an diesen Gefallen zu finden.
Heute werden alte Roloplane hoch gehandelt, da gehen kleine Modelle schon mal für vierstellige Beträge über den Tisch. Als weitere Varianten gibt es dann aus dieser Familie noch u.a. Pearson-Roller und Mezger Roller.
Die Chronik des Roloplans
Nach Beobachtungen des Vogelfluges und vielen Berechnungen und Untersuchungen gelingt dem Neffen der Firmenbegründerin Margarete Steiff (Giengen an der Brenz, Baden-Württemberg) Richard Steiff erneut eine grandiose Erfindung. Er war es, der den berühmten Teddy mit dem Knopf im Ohr erfand und nun erneut einen Zeitvertreib für Jung und Alt erfand: Der Roloplan.
Dieser Drachen wird am 3. Juli 1909 als Geschmacksmuster mit Foto registriert: "180/2 cm Größe, blau/gelb mit gebogenen Tonkinstäben (in 250), seitwärts mit Tonkinstützen, sowie anstatt Stabilisierungsfläche nur mit Stoffschlauch." Am 20. August erhält die Firma Steiff das Warenzeichen "Roloplan" zuerkannt. Damit wird der Drachen in die Produktion aufgenommen und sorgt bei unterschiedlichsten Flugveranstaltungen schon bald für Aufsehen. Dieser leistungsfähige Drachen, der mit zwei und drei Segeln in den Spannweiten von 90 bis 360 cm gebaut wird, erlangt schon in den Anfangsjahren eine ganze Reihe internationaler Preise, z.B. 1909 in Frankfurt a.M. 1910 in Scheveningen (Holland) für die größte erreichte Höhe (800 m), im gleichen Jahr in Namur (Belgien) die fünf ersten Preise für die Höhe, den 2. Preis für Tragkraft und Stabilität, für Signalisation und und Luftfotografie jeweils einen ersten Preis.
Die ursprüngliche Farbgebung ist blau-gelb, später dann gelb-rot. Als Material wird Baumwollstoff (Fahnentuch) und Holzgestänge verwendet. Gegen Aufpreis wird der Roloplan mit Werbeaufdrucken geliefert, größere Modelle liefern darüber hinaus die nötige Zugkraft, um ein eigens dafür hergestelltes Fotostativ samt Kamera für die Luftfotografie an der Zugleine zu führen.
Während der Jahre 1912 bis 1918 erlebt der Drachen einen weiteren Höhepunkt: neben einer stabileren Militärversion, die für Schießübungen als bewegtes Ziel genutzt wird, sollen Militärbeobachter mit Hilfe von großen Gespannen in die Luft gezogen werden, doch verdrängt hier bald das Flugzeug weitere Entwicklungen.
Die zweiflächigen Roloplane entwickeln je nach Windverhältnissen eine Zugkraft bis zu 35 kg, die dreiflächigen wesentlich mehr.
Von 1944 bis 1949 wird die Drachenproduktion eingestellt, ab 1950 produziert die Firma Steiff wieder zweiflächige Roloplan-Drachen mit 90 cm, 100 cm und 120 cm Spannweite - jeweils in der traditionellen Bauweise mit Baumwolle und Holzgestänge.
1968 wird jedoch die Produktion entgültig aufgegeben. Wesentlich billigere Kunststoffdrachen überfluten den Markt, die aufwendige Verarbeitung als auch die recht komplizierte siebenschenklige Waage verlangt darüber hinaus ein individuelles Einfliegen jedes Drachens und somit weitere Personalkosten.
Der Roloplan gehört wie der Brogden zu der Familie der geflügelten Drachen und wird durch die sogenannte Ringspannung in Form gehalten. Wegen seines ausgesprochen ruhigen Flugverhaltens bei gleichmäßig mittlerer Windstärke steigt er schnell in große Höhen auf, wo er dann erhaben und ruhig schwebt. So sollte immer ein Langstart mit ca. 30 m Länge vorgesehen werden. Der Roloplan gewinnt schnell mit einem kleinen Zug an Höhe. Anschließend möglichst viel Leine herausgelassen: der Roloplan braucht einen gewissen Luft- und Freiraum unter sich, um dann im gleichmäßigen Wind zu schweben.
Das Baumwolltuch wirkt hier noch verstärkend: störende Windböen und Unregelmäßigkeiten in der Windstärke können wie ein Sieb aufgefangen werden.
Das moderne Spinnaker-Segeltuch zeichnet sich durch enorme Widerstandsfähigkeit aus und ist quasi windundurchlässig. Durch Veränderung der Waageeinstellung kann die störende Windundurchlässigkeit gewissermaßen ausgeglichen werden, so dass auch manchmal Roloplan-Nachbauten mit Spinnakertuch zu finden sind. Diese Drachen zeigen dann ihre hervorragenden Flugeigenschaften bei besonders leichten und gleichmäßigen Winden. (Text: Hermann Klimberg, Berlin)